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Kapverden

Praia und Brava 2021

Ein Bericht von Valentina Schuster, Tierärztin

Wumm - beim Verlassen des Flugzeugs trifft die Wand aus Hitze auf mich, genau wie mitten im Winter die Gläser einer Brille beschlagen, wenn man voll eingemummelt in Anorak, Schal und Mütze durch den Eingang eines Kaufhauses geht.
Ich bin wieder angekommen in Praia, der kapverdischen Hauptstadt auf der Insel Santiago. Es wird nun schon das dritte Mal sein, dass ich die Bons Amigos, unsere Partnerorganisation auf den Kapverden, bei einer ihrer Kastrationskampagnen für Straßentiere unterstütze. Eineinhalb Jahre sind seit meinem letzten Aufenthalt vergangen und die ersten Tage hier sind immer wieder auf Neue schockierend, weil man das Ausmaß an Leid, Hoffnungslosigkeit, Krankheit, Ignoranz und Perspektivlosigkeit aus Deutschland nicht gewöhnt ist. Tiere, wohin das Auge auch blickt: Katzen um Mülleimer, Hühner auf Dächern, Hunde am Straßenrand...

Die meisten Hunde und Katzen auf Praias Straßen sind in einem erbärmlichem Zustand; räudige Gerippe, verlaust, verfloht, bleich und kahl und nur ein Schatten von dem, wer sie sein könnten, wären sie vor Parasiten und Infektionskrankheiten geschützt.
Was mir besonders zu schaffen macht ist die Flut an Welpen, mit der man sich Tag für Tag in der Klinik der Bons Amigos konfrontiert sieht. Kartonweise werden sie abgegeben: ungewollt, schutzbedürftig, geschwächt und ohne ihre Mutter nicht lebensfähig. Einen Wurf Welpen aufzuziehen ist ein 24/7 Job, vor allem in den ersten Wochen, denn unsichtbare Gefahren wie z.B. Parvoviren lauern hier an jeder Ecke und selbst wenn wir die kleinen Knöpfe über die kritischen ersten Monate bringen würden, hätten wir ihnen keine langfristige Perspektive zu bieten. Je mehr man darüber nachdenkt, wie groß und vielschichtig die Straßentierproblematik in dieser Stadt ist, desto mehr möchte man den Kopf in den Sand stecken, aber halt, stop, nein! Ich bin doch Tierärztin und kann helfen - hier mehr als sonst irgendwo und am effektivsten mit der Vermeidung dieses Elends.

Für die nächsten vier Wochen werde ich zum Kastrieren auf den Kapverden im Einsatz sein, die ersten beiden Wochen in der Hauptstadt Praia und danach auf der sehr viel kleineren und grüneren Insel Brava. Laut meiner Kollegen von den Bons Amigos besteht vonseiten der Behörden einiger Inseln schon Interesse an einer Zusammenarbeit hinsichtlich der Kastration der Straßentiere und auch die Stadt Praia unterstützt unsere Kampagne mit der Bereitstellung eines Autos und zweier Hundefänger, um die Tiere von den Straßen zur Klinik der Bons Amigos zu bringen. Von monetärer Hilfe ist leider noch keine Rede, jedoch muss man sich hier schon mit den kleinsten Schrittchen in die richtige Richtung zufrieden geben.

Die Kampagne beginnt: morgens rückt ein Teil des Teams aus und kommt ein paar Stunden später mit etwa 20 Hunden auf der Ladefläche zurück, die dann einer nach dem anderen zur Operation vorbereitet werden. Mit vereinten Kräften konnten so in der ersten Woche der Kampagne 128 Tiere, die meisten davon weiblich, unfruchtbar gemacht werden und wurden gegen diverse Würmer, Zecken und Flöhe behandelt. Das Einfangen der Tiere ist mühsam, der Transport und das Handling für sie der reinste Stress und die Operationen für uns eine schweißtreibende Angelegenheit - mit heroischer Bilderbuchromantik haben solche Kampagnen nichts zu tun. Wenn wir die Tiere zu fassen bekommen, können wir zwar für den Moment mit einer Behandlung helfen, die allermeisten würden jedoch eigentlich auch für einen längeren Zeitraum Medikamente benötigen, vor allem gegen Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden und die Hunde extrem schwächen. Viele unserer Patienten sind noch sehr jung und laufen Gefahr, wegen ihres schwachen Immunsystems einer tödlichen Infektionskrankheit zum Opfer zu fallen. Ständig sind wir konfrontiert mit kranken Tieren, schlecht verheilten Knochenbrüchen, sehen infizierte Wunden an ausgemergelten Körpern, wie Parasiten alle Kraft aus den eigentlich so wunderschönen Geschöpfen saugen und wissen, dass sich alle Kosten und Mühen dafür lohnen, dieses ewige Leiden zu reduzieren und zu unterbrechen (ganz so wie Buddha, nur halt nicht mit Meditation und Askese, sondern mit Kastration und Medikamenten).

Die Tage verlaufen relativ ähnlich, das Team ist eingespielt und jeder kennt seinen Aufgabenbereich. Da ich die klimatischen Bedingungen nicht gewöhnt bin, läuft mir der Schweiß von morgens bis abends aus allen Poren und mir brummt der Schädel wegen der Dauerbeschallung, sei es durch die fröhliche Funaná-Musik, die aus allen Lautsprechern, Handys und Radios dröhnt oder das kriol´sche Geschnatter meiner Teamkollegen, der Tierbesitzer oder Besucher, von dem ich kein Wort verstehe. Bei jedem Besuch auf den Kapverden lerne ich das Land und die Gepflogenheiten etwas besser kennen und es ist mir mittlerweile bewusst, dass man noch einen langen Atem haben muss, bevor sich merklich viel am Leid der Straßentiere ändert.

Es wird immer ein Kampf gegen Windmühlen bleiben, solange sich in den Köpfen der Menschen nichts ändert. Aber auch Themen wie Abfalldeponierung und -entsorgung müssten dringend neu durchdacht werden. Wir brauchen die Mithilfe der Behörden und Schulen, die Einsicht der Anwohner und müssen neben all der medizinischen Hilfe noch mehr Aufklärungsarbeit leisten über Populationskontrolle, Krankheiten, deren Verbreitung und Vermeidung, über Verantwortung und über ein gesundes Zusammenleben von Mensch und Tier.

Ich bin als Tierärztin überzeugt von der Richtigkeit und Wichtigkeit unserer Arbeit auf den Kapverden und davon, dass die Kastration von Straßentieren der Kern und unverhandelbarer Standard für einen gelungenen Tierschutz ist. Das Wirken unserer Partner, der Bons Amigos, sehe ich nicht nur auf den Tierschutz beschränkt, sondern auch als einen Beitrag zur Entwicklungshilfe und ich freue mich sehr darüber, dass ich mit meiner Expertise und zwei gesunden Händen meinen Teil dazu beitragen kann.
Auf die nächsten Wochen bin ich sehr gespannt und hoffe, euch davon berichten zu können.

Eure Valentina

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de