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Kozani - März 2023

Ein Bericht von Thomas Busch

Kozani.
Die Stadt kennen Sie nicht? Na dann wollen wir das mal ändern.
Fange ich den Bericht von hinten an, dann sitzen wir in einem netten Restaurant. Links neben mir der Bürgermeister, daneben der Vizebürgermeister, und noch einen Stuhl weiter Vasilis, der junge Mann der Gemeinde, der die Kastrationsaktion mit organisiert hat. Rechts ein Professor der Elektrotechnik, welcher perfekt deutsch spricht und die ersten Mails übersetzt hat, die diese Aktion ins Leben gerufen haben. Die Amtstierärztin hat es sich nicht nehmen lassen, der Einladung zu folgen, genauso wenig wie unser Team des Tierärztepools. Der Rotwein und der Raki fließen in Strömen und ich, in dieser Disziplin völlig untrainiert, muss aufpassen, dass ich mich vor Begeisterung nicht volllaufen lasse.
Um hier aber keinen falschen Eindruck zu erwecken, beginne ich doch lieber von vorne.

Die Größe der Straßentierpopulation von Kozani mit den umliegenden Dörfern wird auf 2000-3000 Hunde geschätzt. Verschiedene Maßnahmen der Reduzierung sind in den letzten Jahren versucht worden – alle erfolglos. So renovierte die Gemeinde ein leerstehendes Gebäude, richtete es als Klinik ein und stand anschließend vor der Frage: Und jetzt?

Die TierInsel Umut Evi e.V., ein deutscher Tierschutzverein, mit dem wir in Nordgriechenland kooperieren, hat den Kontakt ins Bürgermeisteramt von Kozani hergestellt und mich gebeten, dort zu schauen, ob die Bedingungen eine Zusammenarbeit rechtfertigen würden. Ich fuhr Anfang des Jahres mit dem Auto von Kreta zurück nach Deutschland und da ich eh in Veria etwas zu erledigen hatte, folgte ich gerne dieser Bitte. Die Stadt Kozani liegt ungefähr 100 km westlich von Thessaloniki, mitten in den Bergen. Demzufolge sind die winterlichen Temperaturen ähnlich wie in Deutschland. Als wir dort ankommen, zeigt das Thermometer -6 Grad. Aber die Herzlichkeit, mit der ich von Vasilis und dem Vizebürgermeister begrüßt werde, vertreibt die Kälte. Sie zeigen mir das Gebäude, welches sie saniert haben und in dem operiert werden soll. Ich bin sprachlos. Vier Räume präsentieren sich in strahlendem Weiß. Ein Büro für die Registrierung der Tiere, ein Aufwachraum mit nagelneuen Käfigen und zwei Operationsräume. Beide vollgepackt mit Dingen, von denen wir bisher nur zu träumen wagten und meistens selbst für die Einrichtung sorgen mussten. Hier aber stehen, noch in Folie eingepackt: Ein OP-Tisch (höhenverstellbar), Beistelltische, zwei OP-Lampen, ein Blutanalysegerät, ein Autoklav, ein Narkosegerät, ein Kühlschrank, eine Hundewaage, eine Zentrifuge, eine Schermaschine und ein Computer mit Drucker.
Begeistert fahren wir zum Tierheim. Auch hier sieht es ordentlich aus. Auf einem verlassenen Militärgelände hat man in leerstehende Gebäude Zwinger gebaut, die groß und sauber sind. Der sympathische Angestellte mit dem Namen, den ich mir leicht merken kann, erklärt mir, dass hier die Hunde untergebracht sind, die entweder kastriert werden sollen oder es bereits sind und darauf warten, als geheilt wieder auf die Straße entlassen zu werden. Thomas verabschiedet sich von mir und irgendwie habe ich das Gefühl, jemanden mit einem ausgeprägten Verstand für Hunde die Hand zu schütteln.
Nun folgt aber der unangenehme Teil, denn unser Verein schafft es einfach nicht mehr, sämtliches OP-Equipment in Deutschland zu bestellen. Es sind inzwischen so viele Gemeinden geworden, die mit uns kooperieren, dass wir unsere finanziellen Grenzen erreicht haben und auch der Meinung sind, dass die Gemeinden ihrer Verantwortung nicht nur mit Worten gerecht werden sollten. Zehn Tierärzte, die für den Tierärztepool weltweit unterwegs sind und Leid verhindern und Leben retten, verbrauchen in gewaltigem Ausmaß OP-Materialien. Außerdem ist es ein gesetzlicher Graubereich, deutsche Medikamente in Griechenland zu verwenden, so dass wir diese auf jeden Fall von den Gemeinden gestellt bekommen müssen. Das wäre alles gar kein Problem, sagt Vasilis, schüttelt mir zum Abschied die Hand und meint, ich möge bitte an die Amtstierärztin Viviana eine Mail mit meinen Wünschen schicken.

In den nächsten Wochen korrespondiere ich mit Viviana und sie bestellt ALLES was wir brauchen.
Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und als wir uns, vier Wochen später, persönlich kennenlernen, sind auch wir ausgestattet - falls was fehlen sollte. Ich nehme vorweg, dass wir unser Equipment nicht anrühren, Viviana hat tatsächlich ALLES beschafft und die Gemeinde hat es bezahlt. 

Wir begrüßen die bezaubernde junge Kollegin und stellen uns vor. Dr. Melanie Stehle vom Tierärztepool ist angereist, sie hat bereit sieben Tage in Epanomi verbracht und 208 Tiere dort kastriert.
Generell planen wir bei neuen Projekten immer erst einen kurzen Einsatz, um die Lage zu sondieren. Jeder, natürlich auch die Gemeinde und die Amtstierärzte, sollen wissen, was, wie und wo zu erwarten ist und eventuell zukünftig verbessert werden muss. Somit haben wir für diesen Erstkontakt den bereits seit Wochen feststehenden Einsatzplan in Nordgriechenland zusammengestaucht, um hier einen Tag arbeiten zu können.

Anna, die griechische Kollegin des Tierärztepools, die bereits in Veria sehr gute Arbeit leistet, ist mit Melanie und ihrem Team mitgekommen. Sie soll in Kozani ein wichtiges Puzzleteil werden. Und da ich mit unserer Tierärztin Julia Gruhn und Dante Mull mit dem Auto auf dem Weg nach Kreta bin, stehen wir auch in dem Gebäude und begrüßen die anwesende Gemeindevertretung.

Ich freue mich, den Hundepfleger Thomas wiederzusehen und er enttäuscht mich nicht. Die Hunde aus dem Tierheim kennt er sehr gut. Er kann die etwas „angespannten“ Tiere gut handeln und trägt die 40 kg Brocken in den OP, als wären sie Luftballons. Alles ist in Kozani perfekt organisiert. Wir hatten 30 Hunde angegeben, die wir meinten, operieren zu können (ohne zu wissen, dass es alles riesige Tiere sind, deren Operationen für den Chirurgen mehr als anstrengend sind und die Fäden beim Anziehen tief in die Finger schneiden). Vasilis hat die Termine so gelegt, dass nach und nach die Tiere eintrudeln. Sie werden von Tierfreunden gebracht, die sie auf der Straße füttern und betreuen. Selbstverständlich kastrieren wir auch alle Tiere, die bereits auf dem Militärgelände auf die OP warten.

Die Stimmung ist super freundlich, lustig und am Ende fast ausgelassen. So eine nette und vor allem ehrliche Bitte um Hilfe, habe ich in 25 Jahren Tierschutz in Griechenland selten erlebt. Zwischendurch wird für uns Kaffee bestellt, ein Mittagessen ist organisiert, wir haben nichts, absolut gar nichts zu beanstanden. Ein junger Tierarzt ist anwesend und auch eine Kollegin aus der Stadt, die bisher in kleinem Rahmen mit der Gemeinde kooperiert, hilft mit. Nach wenigen Stunden wissen alle, was wo zu tun ist und packen mit an. Selbst Antonia vom Tierärztepool kommt vorbei, denn sie wohnt nur zwei Fahrstunden von Kozani entfernt. Sie und Anna sollen hier in Zukunft arbeiten. Das Ziel für 2023 ist hoch angesetzt, aber 1000 Tiere wären ein Traum.

Eine Kooperation, die auf ihren zukünftigen Erfolg glücklich anstößt. „Yamas“ – und schon sind wir wieder am Anfang des Berichtes.
Thomas Busch

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de